Bewohner der Britischen Inseln blicken oftmals neidisch in Richtung der Vereinigte Staaten von Amerika. Während im Land der unbegrenzten Möglichkeiten warme und meist sonnige Sommer in weiten Teilen des Landes dominieren, verbleibt Großbritannien im Einflussbereich tropischer Tiefdrucksysteme, die über Wochen für kühle und vor allem stürmische Bedingungen sorgen können. Insbesondere im Winter geht es aber noch schlimmer.
Vergleicht man etwa die geografische Lage der britischen Hauptstadt London (51.5 Grad Nord) mit jener der USA, so fällt auf, dass die meisten US-Bundesstaaten deutlich südlicher liegen. Die einzige Ausnahme ist Alaska.
St. Anthony, am Nordrand von Neufundland östlich von Kanada, hat ungefähr denselben Breitengrad wie London und besticht durch einen langen und vor allem extremen Winter. Im Durchschnitt fällt dort mehr als ein halber Meter Schnee und die Durchschnittstemperatur im Februar liegt bei -7.7 °C. Im Gegensatz dazu kommen die Londoner in den Genuss eines meist lauen Winters mit einer Durchschnittstemperatur von +8.1 °C.
Schnee fällt deutlich weniger, die aufsummierte Schneehöhe liegt meist deutlich unter einem halben Meter.
Dieser gewaltige Unterschied kann nicht nur durch den stärkeren Besiedelungsgrad und dem damit auftretenden Wärmeinseleffekt erklärt werden. Vielmehr spielt der Golfstrom, eine Meeresströmung mit deutlich wärmerem Wasser und Ursprung im Golf von Mexiko, die entlang der US-Ostküste quer über den Atlantischen Ozean in Richtung Westeuropa und die Britischen Inseln fließt, eine wichtige Rolle. (Siehe Bild links)
Das deutlich wärmere Meerwasser infolge des Golfstroms in Kombination mit einer westlichen Höhenströmung führt somit Meerwasser tropischen Ursprungs in Richtung Europa, sodass im Durchschnitt ein-/zweimal pro Jahr ein tropisches Tiefdrucksystem über Teile von Europa zieht. Im Jahre 1998 überquerte beispielsweise Hurrikan Mitch, einer der zerstörerischsten Stürme seit Aufzeichnungsbeginn mit mindestens 20.000 Todesopfern in Zentralamerika, den Atlantik. Trotz deutlicher Abschwächung zu einem außertropischen Tiefdrucksystem verursachte Mitch mit Orkanböen bis 140 km/h und 9 Meter hohen Wellen große Verwüstungen an der irischen Küste.
Die Verbindung quer über den Atlantik besteht nicht nur während der warmen Jahreszeit. Wetterexperten, sowohl in Europa als auch in den USA, beobachten während der Wintermonate die Nordatlantische Oszillation, kurz NAO. Die NAO beschreibt die Veränderung der Druckverhältnisse zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem Islandtief im Norden. Bei einem negativen NAO-Index, wenn sowohl das Hochdruckgebiet als auch das Tiefdruckgebiet schwach ausgeprägt sind, gelangen arktische Luftmassen leichter in Richtung Süden und sorgen für tiefwinterliche Bedingungen. Der berüchtigte Winter 2009/10 war beispielsweise geprägt durch einen konstant negativen NAO-Index und einer zusätzlich warmen Phase von ENSO (El Nino), welche im Falle von deutlich zu warmen Meerwasser im Pazifik in Äquatornähe zustande kommt. Die Folge waren anhaltende, arktische Kaltluftvorstöße in Europa und Nordamerika und dadurch tagelange Schneestürme.
Im nördlichen Pazifischen Ozean gibt es ein ähnliches Muster, welches Einfluss auf das Wetter in Asien und Nordamerika nimmt. Im November 2014 entwickelte sich Taifun Nuri östlich von den Philippinen und verstärkte sich innerhalb von 72 Stunden auf Kategorie 5 und war somit der 3. stärkste Sturm im Jahre 2014 weltweit. Glücklicherweise zog Taifun Nuri während seiner stärksten Phase lediglich über offenes Meer und somit nicht über bewohntes Land. Nachfolgend drehte er nordwärts ab und schwächte sich aufgrund von deutlich kühlerem Meerwasser zu einem außertropischen Tief ab.
Im weiteren Verlauf zog dieses Tief in die Beringsee und wurde dort als stärkstes Tief registriert. An dessen Vorderseite strömten arktische und somit sehr kalte Luftmassen südwärts in Richtung USA. Hier wurden deswegen neue Rekordtiefstwerte in zahlreichen Städten beobachtet, zudem entwickelten sich mit Überströmen der kalten Luft über die Great Lakes im Norden der USA kräftige Schneeschauer, die an der Südküste dieser Seen einige Zentimeter Neuschnee brachten. Einen derartigen Wintereinbruch, der indirekt auf das tropische Tief, das sich etwa 7.000 km entfernt befindet, zurückzuführen ist, ist äußerst selten und gleichzeitig aus meteorologischer Sicht beeindruckend.