Schwere Regenfälle haben Anfang Oktober im mittelamerikanischen Guatemala einen Erdrutsch ausgelöst. Hunderte Menschen wurden unter Schlamm und Erde begraben, über hundert Häuser komplett zerstört. Vom Erdrutsch betroffen war die Ortschaft El Cambray II. Der kleine Vorort von Guatemala City wurde komplett zerstört und nahezu von der Landkarte ausradiert und ist vorerst nicht mehr bewohnbar. Während mehrere Rettungsteams die Suche nach Überlebenden nicht aufgeben, fragen sich viele, warum in einem derart erdrutschgefährdetem Gebiet überhaupt eine Siedlung errichtet werden durfte. Der Katastrophenschutz hat den Bezirk schon vor Jahren als Risikozone deklariert und die Gemeindeverwaltung darüber informiert. Die Vereinten Nationen und die Internationale Kommission gegen Straffreiheit machten jedenfalls Fahrlässigkeit und Korruption für das Unglück mitverantwortlich.
In den letzten 50 Jahren ereigneten sich vier große Erdrutsche in Guatemala, welche zu Todesopfern geführt haben. Auffällig ist, dass diese stets am Ende der Regenzeit auftraten, als die Böden bereits mit Wasser gesättigt waren. Die alljähliche Regenzeit in Guatemala und generell Zentralamerika erstreckt sich meist von Mai bis Ende Oktober. Dabei werden mit kräftigem Nordostwind sehr feuchte Luftmassen an die Ostküste bzw. weiter landeinwärts geführt. An den Gebirgen werden die Luftmassen gestaut und gezwungen aufzusteigen, die überschüssige Feuchte kondensiert und fällt als Regen im Luv der Gebirge aus. Dieses jährlich auftretende Phänomen führt zu starken Regenfällen und damit verbundenen Überschwemmungen.
Die diesjährige Regenzeit verlief hingegen deutlich trockener als üblich, die Abweichung vom Klimamittel ist im angefügten Bild deutlich zu erkennen. Der Grund dafür ist die überdurchschnittlich hohe Meerestemperatur des Pazifiks, diese war auch der Auslöser für eines der wohl bekanntesten meteorologischen Phänomene, den sogenannten El-Nino. Starke El-Nino-Ereignisse können das globale Wettermuster in Bezug auf die klimatologischen Normen signifikant ändern, unter anderem resultierte daraus auch das aktuelle und außergewöhnliche Niederschlagsdefizit in Zentralamerika.
Dennoch: im Vorfeld des katastrophalen Erdrutsches änderte sich die Großwetterlage gravierend. Ein ausgeprägter Trog, das ist ein Bereich mit niedrigem Luftdruck und deutlich kälterer Luft in der Höhe, stieß von den USA bis in den Golf von Mexiko vor. Damit gelangte in den letzten Septembertagen ungewöhnlich feuchte Tropenluft nach Guatemala. Berichte aus der Region lassen auf anhaltenden und zum Teil starken Regen in den Tagen vor der Katastrophe schließen. Eine Übersättigung der Böden mit Wasser war die Folge, diese führte zunächst zu einem langsamen Abrutschen von Geröll und Schlamm, das in weiterer Folge den katastrophalen Erdrutsch und die Zerstörung von El Cambray II auslöste.
Immerhin ist nun eine langsame Entspannung der Lage in Sicht. Die innertropische Konvergenzzone und die damit verbundenen Starkniederschläge verlagern sich jahreszeitlich bedingt – dem Sonnenhöchststand um ein bis zwei Wochen zeitverzögert folgend – nach Süden, womit sich in den kommenden Wochen zunehmend trockenes Wetter durchsetzen sollte. Damit entschärft sich auch die prekäre Situation, in der sich die lokalen Behörden und Einwohner nach der Katastrophe noch immer befinden.